Was bedeutet „Start with the why“ im Purpose-basierten Management?

Die Frage des „Why?“ stellt sich nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Parteien, Vereine, kirchliche Organisation und andere Nichtregierungsorganisationen. Je überzeugender hier der definierte und gelebte Purpose ist, desto mehr Mitglieder sowie Unterstützer und Spender können diese Organisationen für sich gewinnen. 

Purpose als Erfolgstreiber für Unternehmen

Shorts Facts

  • Die Bedeutung der Frage „Why?“ für die Unternehmensführung.
  • Die Höhe des Employee Engagement kann nach wie vor nicht überzeugen.
  • Purpose ist keine Frage des Budgets!

 

Employee Engagement in Deutschland (vgl. Gallup 2020)

 

Die Relevanz der Frage „Why“?

Die Frage des „Why?“ stellt sich nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Parteien, Vereine, kirchliche Organisation und andere Nichtregierungsorganisationen. Je überzeugender hier der definierte und gelebte Purpose ist, desto mehr Mitglieder sowie Unterstützer und Spender können diese Organisationen für sich gewinnen.

Auch für jeden einzelnen von uns stellt sich immer wieder die Frage nach dem „Why?“ – bspw. beim regelmäßigen Gang eines Studenten an die Universität sowie von Mitarbeitern an die jeweilige Arbeitsstelle im Büro oder in der Produktion und im Service (vgl. auch Nugget Purpose I).

 

Das Niveau des Employee Engagement verharrt auf niedrigem Niveau

Ein Blick auf die niedrigen Raten beim Employee Engagement, das von Gallup regelmäßig erhoben wird, zeigt, dass häufig nur 15 – 18 % der Mitarbeiter von Unternehmen in Deutschland ein hohes Maß an emotionalem Engagement zeigen. Gallup definiert engagierte Mitarbeiter als diejenigen, die sich in ihre Arbeit umfassend einbringen, sich an ihren Arbeitsplatz intensiv engagieren und sich für ihre Arbeit begeistern können. Die Forschungsergebnisse zum Employee Engagement zeigen seit Jahren, dass Unternehmen mit einem hohen Maß an engagierten Mitarbeitern signifikant bessere Geschäftsergebnisse erzielen als Unternehmen, deren Mitarbeiter sich in weniger hohem Maße mit dem Unternehmen, seinen Zielen und Aufgaben identifizieren. Gleichartige Resultate finden sich in allen Branchen, bei unterschiedlichen Unternehmensgrößen und Nationalitäten sowie – durchaus überraschend – auch in guten und schlechten wirtschaftlichen Zeiten.

So zeigen die Studien über Jahrzehnte hinweg nach wie vor, dass sich nahezu 85 % der Beschäftigten weltweit trotz vielfältiger Anstrengungen der Unternehmen immer noch nicht oder nicht aktiv genug für ihre Arbeit engagieren. Ein hohes Maß an Employee Engagement ist lediglich bei 15 % der Beschäftigten vorhanden. Genau dieser Wert wird auch in Deutschland erreicht.

Ein solches Ergebnis kann das Resultat auf die unbefriedigende Antwort auf die Frage nach dem „Why?“ im Unternehmen sein. Gerade in Zeiten der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist jedes Unternehmen dazu aufgerufen, dem möglichen Verlust des „Warum?“ durch eigenes Tun kraftvoll entgegenzuwirken.

 

Motto: Purpose brings meaning!

Purpose ist die übergreifende Existenzberechtigung eines Unternehmens. Einem so verstandenen Purpose kommt auch beim agilen Management eine große Bedeutung zu. Führungskräfte befürchten immer wieder, dass die eigenständige Arbeitsweise von autonomen Teams mit Kontrollverlust und einer mangelnden Zielorientierung einhergehen können. Wenn die agilen und damit auch autonom arbeitenden Teams bei ihrer Arbeit den Purpose des Unternehmens vor Augen haben, dann definiert dieser gleichsam die Leitplanken für das jeweilige Handeln. Inhalt und Prozess orientieren sich dann an diesen Vorgaben – und sichern ein zielorientiertes agiles Arbeiten.

 

Inspirierende Unternehmen und Marken kommunizieren von innen nach außen

Inspirierende Unternehmen und Marken werden häufig von inspirierenden Persönlichkeiten geprägt. Diese Personen verstecken sich nicht in Vorstandsbüros und hinter Quartalsberichten, sondern betreten immer wieder aktiv die mediale Bühne. Unvergessen sind hier die Auftritte von Steve Jobs für Apple (Stichwort „One more thing!“). Auch Elon Musk (Tesla, SpaceX), Jeff Bezos (Amazon, Blue Origin, Neuralink) und Richard Branson (Virgin Group, inkl. Virgin Galactic) verstehen es immer wieder, sich selbst und ihre Unternehmen und Marken zu inszenieren und in den medialen Mittelpunkt zu rücken.

Hier gelingt es vielfach, andere Menschen von den eigenen Ideen und Visionen – dem „Why?“ – zu überzeugen. Vielfach drückt sich diese Überzeugung auch in bisher unvorstellbaren Börsenwerten aus. Der Börsenwert von Tesla nähert sich im Jahr 2022 immer wieder einer Billion US-$ – mehr als der Wert aller führenden Automobilkonzerne zusammen! Als erster Konzern der Welt erreichte der Apple zu Beginn des Jahres 2022 einen Börsenwert von mehr als drei Billionen US-$.

 

Start-ups werden nur durch Purpose zu Unicorns!

Interessanterweise sind auch viele Unternehmensgründer in der Lage, Investoren und Kunden von ihren Geschäftsideen mit einem Purpose zu überzeugen, was durch die zunehmende Anzahl an Unicorns zu erkennen ist. Unicorns sind junge Unternehmen, die einen Börsenwert von einer Milliarde US-$ und mehr erzielt haben. Auch hier sind es die Persönlichkeiten verbunden mit einem überzeugenden Purpose, die die Marktkapitalisierung vorantreiben.

Dabei ist etwa an FinTechs wie Klarna, Revolut, N26 und Trade Republic zu denken, die nicht nur über die Vereinfachung von Finanzlösungen nachdenken, sondern diese einfach erzielen. Sie liefern überzeugende Antworten auf die Frage nach dem „Why?“ – und können etablierte Unternehmen im Börsenwert vielfach schon nach wenigen Jahren übertreffen. Das gleiche gilt für InsurTechs, LegalTechs, WealthTechs, EdTechs (Education), FoodTechs, GreenTechs, BioTechs, HealthTechs, MadTechs (Marketing) und RetailTechs, die in ihrer jeweiligen Branche überzeugende Mehrwerte durch den Einsatz von Technologien erzielen. Bei vielen dieser Unternehmen steht ein attraktiver Purpose im Mittelpunkt.

 

Purpose ist keine Frage des Budgets!

Google ist damit gescheitert, mit Google+ lediglich eine Alternative zu Facebook zu entwickeln. Das konnte als Purpose nicht überzeugen und führte nach einem acht Jahre dauernden Versuch zur Einstellung des Angebots im Jahr 2019. Apple scheiterte mit der Installierung des Social-Media-Netzwerkes iTunes Ping für iTunes-Nutzer. Nach einer zweijährigen Testphase wurde das Projekt 2011 ebenfalls eingestellt. Auch hier war kein ausreichender Purpose für eine solche Lösung erkennbar. Me-too-Ansätze allein sind häufig wenig überzeugend.

Eine überzeugende Kommunikation von innen nach außen macht Unternehmen nicht nur für Investoren und Kunden attraktiv, sondern auch für Kooperationspartner und Mitarbeiter. Gerade potenzielle Mitarbeiter der Generation Y und Z stellen bei ihrer Berufswahl die Frage nach dem „Why?“ häufig ebenfalls ins Zentrum. Unternehmen, die beim heute in vielen Branchen schon stattfindenden War for Talent erfolgreich sein sollen, habe auch deshalb gute Gründe, sich mit dem unternehmerischen Purpose zu beschäftigen. Schließlich gilt immer häufiger in der sogenannten Purpose Economy:

Die Menschen gehen nicht mehr (allein) zur Arbeit, um einen Gehaltsscheck zu erhalten. Sie wollen das Gefühl haben, dass das, was sie tun, für die Welt von Bedeutung ist. Gleichzeitig wollen sie sich in ihrem Beruf auch weiterentwickeln können.

 

Das „Why?“ kann im Zeitablauf unterschiedlich ausgefüllt werden!

Spannend ist zu sehen, dass ein überzeugendes „Why?“ im Zeitablauf zu ganz anderen Angeboten im Sinne des „What?“ führen kann. So hat sich Apple vom Computer-Hersteller zum Entertainment-Konzern weiterentwickelt – mit Hard- und Software und überzeugenden eigenen Inhalten. Amazon, als Online-Buchhändler gestartet, hat sich zum Allround-Unternehmen gewandelt – mit treuen Kunden in der Online- und Offline-Welt sowie im B2C- und B2B-Markt. Netflix hat sich von der DVD-Vermietung, bei der physische Produkte hin- und hergeschickt wurden, zum führenden Streaming-Dienstleister entwickelt. Der einmal definierte Purpose war auch hier für die unternehmerische Weiterentwicklung bzw. für eine teilweise Neuerfindung tragfähig.

Folglich gilt: Wenn das „Why?“ überzeugt, dann kann sich das „What?“ im Zeitablauf durchaus ändern – ohne die Glaubwürdigkeit und die Attraktion des Unternehmens bzw. der jeweiligen Marke zu schwächen. Gleichzeitig stellt das „Why?“ für diese Unternehmensentwicklung einen zentralen Orientierungspunkt dar. Schließlich geht es beim Thema Purpose in hohem Maße auch um Inspiration. Denn für Kunden, Mitarbeiter, Finanziers und sogar für die Wettbewerber stellt sich immer wieder neu die spannende Frage: Warum sollten sie sich mit dem Angebot eines Unternehmens beschäftigen?

Wenn es für diese Stakeholdern nicht ersichtlich ist, warum ein Unternehmen oder eine Marke etwas besonders und folglich unterstützenswert ist, werden Unternehmen und Marken schnell austauschbar und können im Konkurrenz- oder Preiskampf leiden oder zugrunde gehen. Die Herausforderung für die Kommunikation besteht folglich darin, nicht nur die Frage nach dem „What?“ zu beantworten, sondern vor allem auch die Frage nach dem „Why?“. Hier wird entschieden, ob ein Kunde oder ein anderer Geschäftspartner etwas als wertvoll erachtet oder nicht. Es geht darum, ob sich für die Betrachter ein besonderer Sinn des Angebots erkennen lässt – sprich: den Purpose.

 

Über den Autor | Ralf T. Kreutzer

Professor für Marketing | Berlin School of Economics and Law

Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer ist seit 2005 Professor für Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht/Berlin School of Economics and Law. Parallel ist er als Trainer, Coach sowie als Marketing und Management Consultant tätig. Er war 15 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Bertelsmann (letzte Position Direktor des Auslandsbereichs einer Tochtergesellschaft), Volkswagen (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) und der Deutschen Post (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) tätig, bevor er 2005 zum Professor für Marketing berufen wurde. 

Professor Kreutzer hat durch regelmäßige Publikationen und Keynote-Vorträge (u.a. in Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Belgien, Singapur, Indien, Japan, Russland, USA) maßgebliche Impulse zu verschiedenen Themen rund um Marketing, Dialog-Marketing, CRM/Kundenbindungssysteme, Database-Marketing, Online-Marketing, Social-Media-Marketing, Digitaler Darwinismus, Digital Branding, Dematerialisierung, Change-Management, Künstliche Intelligenz, Agiles Management, strategisches sowie internationales Marketing gesetzt und eine Vielzahl von Unternehmen im In- und Ausland in diesen Themenfeldern beraten. 

Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Toolbox für Marketing und Management“, „Künstliche Intelligenz verstehen“ (2019, zusammen mit Marie Sirrenberg), „B2B-Online-Marketing und Social Media (2. Aufl., 2020, zusammen mit Andrea Rumler und Benjamin Wille-Baumkauff), „Voice-Marketing“ (2020, zusammen mit Darius Vousoghi), „Die digitale Verführung“ (2020), „Kundendialog online und offline“ (2021), „Praxisorientiertes Online Marketing“ (4. Auflage, 2021), „Social-Media-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „E-Mail-Marketing kompakt“ (2. Aufl., 2021), „Online-Marketing – Studienwissen Kompakt (3. Aufl., 2021) und „Toolbox für Digital Business“ (2021).

Darüber hinaus leitet Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer die berufsbegleitende Ausbildung zum Chief Digital Officer (CDO) sowie das Seminar Nachhaltige Unternehmensführung bei der Bitkom Akademie.

www.ralf-kreutzer.de

 

 

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